Aus der Bibel kann man entnehmen, dass es für die Persönlichkeitsentwicklung des menschlichen
Gemüts sehr wichtig ist, ein ausgeglichenes Verhältnis mit Gott zu
erlangen. Von daher ist es sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass es Gott wichtig ist, dem Menschen die notwendigen Informationen bereitzustellen, durch die er das Ziel seiner geistigen Bestimmung erreichen kann.
Wobei sich für Gott das Problem ergab, dass Er eine Möglichkeit finden musste, dem Menschen geistige Wahrheiten so zu vermitteln, dass er sie auch verstehen kann, ohne dabei seine Willensfreiheit einzubüßen.
Normalerweise benutzt Gott hierzu auserwählte Menschen, die ähnlich wie Mose oder andere Propheten Visionen bzw. Auditionen haben und die Fähigkeit besitzen, ihre Erfahrungen anderen Menschen in Wort und Schrift mitzuteilen.
Dieser Mitteilungsweg ist allerdings insofern problematisch, als dass die Empfänger der göttlichen Informationen in
Raum und Zeit gefangen sind,
während die Nachrichten des unendlichen Gottes aus den Regionen stammen, die sich völlig der sinnlichen Erfahrung des Menschen entziehen. Um den in der Sinnenwelt gefangenen Menschen dennoch eine Vorstellung des eigentlich Unaussprechlichen zu geben, hat Gott einen genialen Weg gefunden. Dieser Weg besteht darin, dass sich Gott in der Bibel fast nur durch Gleichnisse offenbart hat.
Durch diesen Trick ist es Gott möglich, mit aus Zeit und Raum entlehnten Worten, die an sich unaussprechlichen Dinge der geistigen Welt, bildhaft zu umschreiben. So beschreiben z. B. Worte, die Schönes und Anmutiges ausdrücken, meist himmlische, gottzugewandte Zustände. Worte hingegen die Garstiges und Abscheuliches ausdrücken, bezeichnen höllische, gottabgewandte Zustände. Auf diese Art und Weise war es den inspirierten Schreibern der Bibel möglich, innere und innerste Zustände gleichnishaft in einer bildhaften Sprache mitzuteilen.
Dass dem wirklich so ist, kann man in verschiedenen biblischen Textstellen nachlesen. So sagt Jesus z. B. bei Matthäus 13,35:
"Ich will meinen Mund zu Gleichnisreden öffnen; ich will verkündigen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war."
Und bei Markus 4,34 heißt es: "Ohne Gleichnis redete er nichts zu ihnen."
In der Tat ist es so, dass Jesus seine epochalen Wahrheiten ausschließlich in Gleichnissen kundgegeben hat. Diese Wahrheiten können in ihrer Tiefe, von den heutigen Menschen, nur dann wirklich verstanden werden, wenn sie dazu ein Hilfsmittel anwenden, durch das sie den tieferen Sinn der Bibeltexte aufschlüsseln können. Bei diesem Hilfsmittel handelt es sich um die Lehre von den Entsprechungen.
Die Entsprechungslehre war in vielen Reichen der vorchristlichen Welt hoch entwickelt und teilweise noch bis in die Zeit von Jesus Christus bei einigen Weisen bekannt. So konnten die drei Weisen aus dem Morgenland aufgrund ihrer Kenntnisse dieser Lehre dem Jesuskind in der Krippe ihre Aufwartung machen.
Dem Naturforscher und Visionär Emanuel Swedenborg ist es zu verdanken, dass die bereits wenige Jahrzehnte nach Jesu Tod verloren gegangene Entsprechungswissenschaft dem Vergessen entrissen wurde. Sicherlich gab es auch vor ihm schon erleuchtete Menschen, die den bildhaften Bibeltexten das eine oder andere Geheimnis entlocken konnten. Doch Swedenborg blieb es vorbehalten, ein System vorzustellen, das es dem interessierten Leser der Bibel ermöglicht, deren inneren Sinn mittels der Entsprechungslehre zu entschlüsseln.
Swedenborg erkannte, dass die ganze natürliche Welt der geistigen Welt entspricht, und zwar nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im Einzelnen. Deshalb besteht mit allem, was in der natürlichen Welt aus der geistigen Welt entsteht, eine Entsprechung.
Diese zwei Welten haben keine unmittelbare Verbindung zueinander, da sich die geistige Welt jenseits von Raum und Zeit befindet. Ein Zustand, der von dem in Raum und Zeit eingebundenen Menschen mit seinen fünf Sinnen nicht wahrgenommen werden kann.
Dennoch entsteht die Welt, in der wir leben, aus der für uns sinnlich nicht erfahrbaren geistigen Welt. So wie unser in der Sinnenwelt eingebetteter Körper seine Lebensimpulse von seinem in der geistigen Welt befindlichen Gemüt erhält, so bezieht letztendlich alle unbelebte und belebte Materie ihre Existenz und ihr Leben aus der Welt jenseits von Raum und Zeit.
Der Quantenphysiker Professor Hans-Peter Dürr bestätigt diesen Gedanken, wenn er sagt:
"Das, was wir Diesseits nennen, ist im Grunde die Schlacke, die Materie, also das, was greifbar ist. Das Jenseits ist alles Übrige, die umfassende Wirklichkeit, das viel Größere. Das, worin das Diesseits eingebettet ist. Insofern ist auch unser gegenwärtiges Leben bereits vom Jenseits umfangen."
Mit anderen Worten ausgedrückt, die Leiber der Pflanzen, Tiere und Menschen sind letztendlich materielle Gefäße für das im Jenseits angesiedelte Leben. Wird die Verbindung zwischen dem diesseitigen Leib und dem im Jenseits angesiedelten Leben unterbrochen, zerfällt der materielle Körper. Während das eigentliche Leben seiner Bestimmung gemäß weiter existiert.
Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet kann man sagen, dass der Himmel bzw. die geistige Welt nicht so sehr außerhalb, sondern vielmehr innerhalb des Menschen angesiedelt ist. Dieser Gedanke wird auch von Emanuel Swedenborg geteilt, wenn er schreibt:
"Der innere Mensch wurde nach dem Bilde des Himmels, der äußere nach dem der Naturwelt gestaltet. Darum ist der innere Mensch ein Himmel in kleinster Form und der äußere eine Welt in kleinster Form, ein Mikrokosmos."
Der innere Mensch bzw. das innere Gemüt, korrespondiert ständig mit dem äußeren Gemüt des Menschen. Dabei nehmen die körperlichen Sinne Außenbilder aller Art auf und erwecken die "entsprechenden" Innenbilder, durch deren Anschauung der Verstand zur Erkenntnis von Wahrheiten gelangen kann. Auf diese Art und Weise wird im Gedächtnis des Menschen ein seiner Wahrnehmung entsprechendes Bild der natürlichen Welt gezeichnet. Natürlich gehen die Informationen, die der Mensch durch seine fünf Sinne zum Inhalt seines Gedächtnisses macht, durch den Filter seiner Lebensliebe, denn was der Mensch liebt, das will er, das denkt er und danach strebt er.
So gesehen hat das, was der Mensch als Wahrheit akzeptiert immer zwei Aspekte, den abstrakten Begriff und das dazugehörige Gefühl. Wir fühlen in unserem Inneren, ob das, was uns von der Außenwelt zugetragen wird, mit unserer Liebe übereinstimmt oder nicht. Stimmt das dem äußeren Anlass entsprechende Gefühl mit unserer Lebensliebe überein, sind wir dazu geneigt, die Information selbst dann als wahr zu akzeptieren, wenn sie objektiv gesehen falsch ist. Stimmt das Erlebte nicht mit unserer Liebe überein, geschieht es nicht selten, dass wir objektive Wahrheiten als falsch einschätzen. Was häufig dazu führt, dass sich der Mensch in vielen Bereichen seines geistigen Lebens im Falschen begründet.
Dies wussten auch die inspirierten Schreiber sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments der Bibel. Von daher kommt es nicht von ungefähr, dass die Erzählungen der Bibel mit Vorgängen im Gemüt des Menschen korrespondieren. Diese Korrespondenz zwischen der Bibel und dem menschlichen Gemüt ist deshalb möglich, weil die dort aufgezeichneten Geschichten aus einzelnen Worten bestehen. Diese Worte wiederum haben die Eigenschaft, dass sie einerseits etwas aus der natürlichen Welt beschreiben und andererseits Gefäße für geistige Inhalte sind.
Dass Worte einen äußeren und einen inneren Sinn haben, kann man bereits in der Alltagssprache beobachten. So bedeutet das Wort Baum in seinem buchstäblichen Sinn eine Pflanze, die bisweilen recht stattliche Ausmaße annehmen kann. Der geistige Inhalt des Wortes "Baum" entspricht der Einsicht. In der Redewendung: "Du siehst wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht?", wird ein Mensch umschrieben, der in der Wissensfülle das offensichtliche Ganze nicht erkennt.
Wein ist im buchstäblichen Sinne ein meist wohlschmeckendes Getränk, doch wer einmal zu viel davon trinkt, dem kann es passieren, dass er "in vino veritas" seinen Mitmenschen die ungeschminkte Wahrheit sagt. Und so entspricht Wein der Wahrheit. "Jemandem reinen Wein einschenken" bedeutet, ihm die reine, ungetrübte Wahrheit zu sagen.
Wind ist eine Bewegung der Luft und bezeichnet im inneren Sinn das Wirken des Geistes. "Sich den Wind um die Ohren wehen lassen" bedeutet demzufolge, Lebenserfahrung zu sammeln. Der Wind stellt hier die im Leben wirksame Kraft dar, die sich in allen Lebensverhältnissen zeigt, doch nirgends kann man sie festhalten, nur verstehen kann man sie, wenn man sich "den Wind um die Ohren wehen lässt". Es ließen sich noch viele Beispiele finden, in denen durch Redewendungen die Doppeldeutung von Worten aufgezeigt wird.
Die göttlich inspirierten Autoren des Alten Testaments und der Evangelien beherrschten noch die hohe Kunst, ihre Texte mit einem inneren Sinn zu versehen. Swedenborg vergleicht den Doppelsinn der dort verwendeten Worte mit dem Verhältnis von Leib und Gemüt. Dabei entspricht der buchstäbliche Sinn dem Leib und der innere Sinn dem Gemüt. So wie der Leib durch das Gemüt lebt, so wird der buchstäbliche Sinn des Wortes durch den inneren Sinn belebt. Dieser innere Sinn der Bibelworte zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm ein geistiger und ein himmlischer Sinn enthalten sind. Wobei das Geistige darin besteht, dass die Sachverhalte, für die der buchstäbliche Sinn als Träger dient, unabhängig vom Buchstaben aufgefasst werden, während das Himmlische darin besteht, dass man allein die Gefühlsseite der im inneren Sinn vorkommenden Dinge wahrnimmt.